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Etwa 150.000 kleine SUVs wurden 2014 in Deutschland verkauft, verteilt auf über 15 verschiedene Modelle, darunter Bestseller wie Opel Mokka, Skoda Yeti und Dacia Duster. Da die Nachfrage immer noch wächst, verbreitert sich auch das Angebotweiter: Inzwischen kamen der Mazda CX-3, der Fiat 500X alias Jeep Renegade und der SsangYong Tivoli hinzu. Und im September 2015 startet der Honda HR-V. Wir haben ihn getestet.
Endlich wieder vier Modelle
Nach der Einstellung des Accord umfasst die Honda-Palette derzeit nur noch drei Modelle: Jazz, Civic (inklusive Kombi) und CR-V. Die Händler dürften also sehr froh sein über den HR-V. 8.000 Stück hofft der Hersteller in den ersten zwölf Monaten an den deutschen Mann und die deutsche Frau zu bringen – das würde den HR-V auf das Niveau des CR-V bringen, und die beiden SUVs wären Hondas Bestseller. Wie viele Hersteller stellt sich Honda seine Kunden als junge, dynamische Singles vor, oder als kinderlose Pärchen mit der Devise "work hard, play hard". Doch auch Ältere will man ansprechen, denen die hohe Sitzposition zupass kommt. Der 4,30 Meter lange HR-V basiert auf der gleichen, global eingesetzten Plattform, auf der auch der neue Jazz aufsetzt – der Civic beruht übrigens auf einer anderen Basis. Ein Modell namens HR-V gab es von 1999 bis 2005 schon einmal in Deutschland. Damals stand die Abkürzung für "Hybrid Recreation Vehicle", heute ist das Kürzel offiziell bedeutungslos, vielleicht weil man an einen Hybridantrieb denken könnte, den es im HR-V nicht gibt.
Nur zwei Motoren und kein Allradantrieb
Die Motorenpalette des neuen HR-V ist überschaubar: Neben dem bekannten 1,6-Liter-Diesel mit 120 PS wird noch ein neuer 1,5-Liter-Saugbenziner mit Direkteinspritzung und 130 PS angeboten. Zwischen 60 und 70 Prozent der Kunden werden sich für den Benziner entscheiden, glaubt Honda. Denn gerade ältere Kunden fahren angeblich nicht so viel, dass sich für sie ein Diesel lohnt, heißt es beim Hersteller. Alle Modelle haben jedenfalls Frontantrieb, Allradantrieb ist für Europa nicht vorgesehen, obwohl es in den USA eine 4x4-Version gibt, und obwohl die Konkurrenz eine solche oft parat hält.
Wenig dynamische Motoren
Keiner der beiden Motoren im HR-V verleitet zu Begeisterungsstürmen. Der zuerst gefahrene Diesel, der im Civic sehr temperamentvoll wirkt, mutiert im HR-V zu einer ziemlich bürgerlichen Angelegenheit: Man kommt voran, ist nicht untermotorisiert, aber mehr auch nicht. Wer Fahrspaß sucht, der möge sich anderswo umsehen. Und das bei 300 Newtonmeter Drehmoment. Immerhin ist der Diesel mit einem Normverbrauch von 4,0 Liter sparsam und erfüllt die Euro-6-Norm dank eines NOx-Speicherkatalysators. Auch im warmgefahrenen Zustand fällt der Selbstzünder allerdings durch eine etwas raue Akustik auf – nicht schlimm, und wohl nur für sehr lärmempfindliche Seelen relevant.
Ein Sound wie im Motorsport
Ähnlich der Benziner: Auch er läuft nicht so ruhig, wie man sich das wünscht. Aber vor allem hat er als Sauger eine unpassende Charakteristik: Erst im höheren Drehzahlbereich geht es wirklich voran. Wer sich nicht scheut, bis 4.000, 5.000 oder 6.000 Touren zu drehen, erntet einen geradezu motorsportartigen Sound, der an den längst ausgelaufenen Roadster Honda S2000 erinnert. An ein "Urban SUV", so die Honda-Kategorisierung, ist ein solcher Sound natürlich verschwendet. So frage ich Honda-Sprecher Kotaro Yamamoto nach einem Turbobenziner. Wäre sowas nicht geeigneter für dieses Auto, das zum Cruisen gedacht ist, und nicht fürs aggressive Fahren? Zur Antwort bekomme ich ein Lächeln, das ich so übersetzen würde: "Das hätten wir von Honda Deutschland auch gerne." Er sagt es aber nicht so direkt, sondern spricht von einer Aufgabe für die Zukunft.
Straffes Fahrwerk
Für welchen Motor sollte man sich also entscheiden? Bei den Fahrleistungen ist praktisch kein Unterschied, die Spitze beträgt bei beiden 192 km/h, beim Standardsprint ist der Benziner mit 10,1 Sekunden nur unmerkbar schneller als der Diesel (10,7 Sekunden). Angesichts der wenig emotionalen Art der beiden würde ich es vom schnöden Mammon abhängig machen: Der Verbrauch ist beim Diesel 1,6 Liter niedriger, dafür ist der Benziner rund 2.300 Euro günstiger, der Rest ist ein Rechenexempel. Das Fahrwerk ist bei beiden dasselbe. Auf der beidseits offenen Skala von steinhart bis butterweich liegt es eher auf der straffen Seite, aber ohne dass es auf den guten Straßen rund um Lissabon unkomfortabel wird. In scharf gefahrenen Kurven bleibt der Wagen recht unbeeindruckt, wankt wenig und untersteuert nicht zu stark.
Gelungene Optik
Auch optisch ist der HR-V gelungen. Die Front mit Klavierlackelementen und die coupéhafte Seitenlinie mit den versteckten Türgriffen lassen ihn eher elegant als imposant oder schon gar nicht machohaft wirken. Dieselbe Noblesse ist innen zu spüren: In der gefahrenen Topausstattung Executive dominiert edles Schwarz, die Teillederausstattung bietet angenehme Haptik an den wichtigen Stellen. Dass der obere Teil des Armaturenbretts aus Hartplastik besteht, würde mich nicht stören. Die hohe Konsole zwischen Fahrer und Beifahrer – in Europa mit Klavierlack verschönert – erinnert an Coupés, die ungewöhnlichen drei Luftschlitze vor dem Beifahrer lassen das Armaturenbrett breit wirken, fast wie bei einem Offroader.
Schicker 3D-Tacho
Besonders gefällt mir der dreidimensional gestaltete Tacho. Ein Teil der Skalenstriche liegt auf einer vorderen Ebene, der Rest dahinter: ein realer Effekt, der ganz ohne Elektronik auskommt. Man sollte auch unbedingt die Eco-Taste aktivieren. Nicht weil das Sprit spart – das tut es nicht –, sondern wegen des hübschen, grünen Leuchtrings rund um den Tacho, mit dem der HR-V eine wirtschaftliche Fahrweise belohnt. Etwas getrübt wird das Bild durch das wenig schicke Schwarzweiß-Display rechts neben dem Tacho.
Knackige Schaltung
Auf der Mittelkonsole sitzt der kurze Hebel der serienmäßigen Sechsgang-Schaltung, die sich knackig anfühlt. Wer nicht selbst arbeiten mag, kann beim Benziner eine neue CVT-Automatik mit sieben simulierten Gängen und (echten) Schaltwippen am Lenkrad bestellen. In der Konsole gibt es außerdem ein großes Fach, in dem zwei Tassen oder Flaschen Platz finden. Hier finden sich auch der Schalter für die elektronische Parkbremse und vor allem die Brake-Hold-Taste. Auf Letztere ist Honda ganz besonders stolz. Und das, obwohl es das Gleiche zum Beispiel auch im VW-Konzern gibt, wo kein Mensch ein Wort darüber verliert. Aber okay, nützlich ist das Ding schon: Ist die Funktion aktiviert, wird beim Anhalten automatisch die Parkbremse gezogen, sodass man nicht versehentlich wegrollen kann.
Intelligenter Schutzengel verhindert Sünden
Und noch eine nützliche Neuheit hebt Honda hervor: den intelligenten Geschwindigkeitsbegrenzer. Ist das System aktiviert, werden Temposchilder automatisch erkannt und deren Wert als Grenze festgelegt. Man wird im legalen Geschwindigkeitsbereich gehalten – nur wer bewusst sehr viel Gas gibt, kommt darüber hinaus. Nach anfänglichen Bedienungsfehlern funktionierte das System bei mir gut – vorausgesetzt, das Temposchild ist nicht verdeckt oder befindet sich in einer engen Kurve. Ein ähnliches System wird auch im neuen Renault Espace angeboten und wurde dort unlängst von den EuroNCAP-Crashtest-Experten besonders gelobt. Beim HR-V dürfte es ebenfalls dazu beitragen, dass die von Honda angestrebten fünf Sterne erreicht werden – und helfen, dass unnötige Knöllchen selten werden.
Serienmäßiges City-Notbremssystem
Bei allen HR-V hilft auch serienmäßig ein City-Notbremssystem bei der Schadensverhütung. Die beiden höheren Ausstattungen Elegance und Executive haben dazu noch eine Auffahrwarnung, einen Spurverlassenswarner, den intelligenten Tempobegrenzer, die Verkehrszeichenerkennung und einen Fernlichtassistenten. Zusammen bezeichnet Honda diese Helfer mit dem Kürzel ADAS (Advanced Driver Assist System). Einen Totwinkelwarner bietet Honda offenbar nicht an, genauso wenig wie einen Abstandstempomaten.
HDMI und so
Aber noch etwas Ungewöhnliches ist zu vermelden: eine HDMI-Schnittstelle. Sowas habe ich in einem Auto noch nie gesehen, und Honda weiß auch nicht so genau, wozu es dient. Aber man kann damit Elektronikgeräte anschließen, soviel ist sicher. Man findet das Ding in einer kleinen Höhle, die sich im unteren Bereich der Mittelkonsole auftut. Dort finden Smartphone-Liebhaber auch ein rutschfestes Plätzchen für das Handy, einen Zwölf-Volt-Stromanschluss und gleich zwei USB-Schnittstellen. Wer will, kann so die Handy-Inhalte auf den Sieben-Zoll-Touchscreen schicken, den die höheren beiden Ausstattungen serienmäßig besitzen.
Magic Seats wie bei Jazz und Civic
Die Vordersitze bieten guten Seitenhalt, selbst wenn man mal schneller durch die Kurve braust. Wer den Beifahrersitz etwas weiter nach hinten rückt, wird darunter eine Stufe bemerken. Unter ihr verbirgt sich der Kraftstofftank, der hier wie bei Jazz und Civic unter den Vordersitzen untergebracht ist. So werden im Fond die "Magic Seats" möglich: Die Sitzflächen lassen sich wie Kinostühle nach oben klappen, sodass man große Topfpflanzen oder auch Mountainbikes mit demontierten Vorderrädern im Fond unterbringen kann. Besetzt man den Fond lieber mit Freunden oder Bekannten, dürfen sich diese über üppige Kniefreiheit freuen.
Genaue Kofferraumdaten noch nicht bekannt
Alternativ lassen sich die Rücksitzlehnen umklappen. Dabei vergrößert sich der Kofferraum von 453 auf 1.026 Liter, wobei sich der größere Wert aber auf eine Beladung bis zur Fensterunterkante bezieht – die normalerweise angegebene Zahl für die dachhohe Beladung wird nicht genannt. Wir schätzen das Maximalvolumen ganz grob auf 1.300 bis 1.600 Liter. Zum Vergleich: Der Opel Mokka bietet 356 bis 1.372 Liter, der Skoda Yeti gar 405 bis 1.760 Liter – der enorme obere Wert wird allerdings nur erreicht, wenn man die Sitze ausbaut. Bei einigen HR-V-Versionen lässt sich die Beifahrersitzlehne umklappen. So kann man bis 2,45 Meter lange Gegenstände einladen. Der Ladeboden ist fast eben, darunter findet sich ein weiterer Stauraum, der das fakultative Reserverad aufnimmt. Am Kofferraumeingang verhindert eine etwa sieben Zentimeter hohe Schwelle, dass man zum Beispiel schwere Mineralwasserkästen einfach herausziehen kann.
Einstieg noch unter 20.000 Euro
Und was kostet der HR-V? Bisher sind nur die Grundpreise bekannt: Den Benziner soll es ab 19.990 Euro geben, den Diesel ab 22.290 Euro. Ob die Preise angemessen sind, kann man noch nicht genau sagen, da die Serienausstattung nicht bekannt ist. Nehmen wir den Benziner und vergleichen mit der Konkurrenz: Einen Mazda CX-3 mit 120-PS-Saugbenziner bekommt man schon ab 17.990 Euro, einen Opel Mokka mit 115-PS-Sauger ab 18.990 Euro. Nochmal genau einen Tausender mehr zahlt man für das günstigste Turbomodell im Segment, den (nur sieben Zentimeter längeren) Nissan Qashqai mit 115-PS-Benziner. Für die meisten anderen Turbo-Modelle muss man das Girokonto gründlicher plündern: Einen Skoda Yeti 1.4 TSI mit 122-PS-Turbobenziner gibt es erst ab 21.430 Euro und ein Opel Mokka 1.4 Turbo mit 140 PS kostet mindestens 22.675 Euro.
Quelle: http://www.auto-news.de/test/e…Markteinfuehrung_id_37003